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Schwung für die Karriere in der Wissenschaft – Florian Schmidt, der Virenjäger

Start der Porträtserie „Sechs Fragen an …“ der Klaus Tschira Stiftung mit jungen Forschenden

Heidelberg. Jung und erfolgreich in der Forschung tätig zu sein, ist nicht immer leicht.  Die hoch motivierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen möglichst viel publizieren, ein eigenes Profil entwickeln und Projektmittel einwerben. Und das bei oft unsicheren Perspektiven, mitten in einer Phase, in der eventuell auch die Gründung einer Familie ansteht und sich viele fragen, wo sie sich eigentlich die Führungsfähigkeiten aneignen sollen, die künftig von ihnen verlangt werden. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dieser Phase zu unterstützen und ihrer Karriere Schwung zu verleihen, ist Ziel des Klaus Tschira Boost Funds und der Leadership Academy. Das gelingt über Weiterbildung und Austausch in der Leadership Academy, aber auch über Fördergelder für eigene Projekte beim Klaus Tschira Boost Fund. Bei beiden Initiativen kooperiert die Klaus Tschira Stiftung (KTS) mit der gemeinnützigen German Scholars Organization (GSO; mehr unter https://gsonet.org). Absolventinnen und Absolventen werden in die Alumniplattform „Alumnode“ aufgenommen (https://alumnode.org). Gemeinsam ist allen Geförderten, dass es sich um ganz besondere junge Menschen handelt, von denen wir sieben an der Zahl in unserer heute startenden Reihe „Sechs Fragen an…“ vorstellen möchten.

Heute: Florian I. Schmidt

Florian Schmidt und ein Lama. © Volker Lannert

Florian I. Schmidt kommt aus Bonn und hat an der TU München Biochemie studiert. Früh begeisterte er sich für Viren und nutzte schon während seines Studiums die Gelegenheit, in verschiedenen Laboren in Deutschland, den USA und Großbritannien erste Forschungserfahrungen zu sammeln. Er schrieb seine Doktorarbeit an der ETH Zürich. Anschließend führten ihn seine Forschungsinteressen als Postdoktorand ans MIT/Whitehead Institute in Boston, USA. Hier entwickelte er unter anderem Methoden weiter, um mit speziellen Antikörper-Fragmenten aus Alpakas und Lamas gezielt Proteine in ihrer Funktion zu stören oder diese in lebendigen Zellen sichtbar zu machen. Seit 2017 leitet Florian Schmidt eine Forschungsgruppe an der Universität Bonn und untersucht Entzündungsreaktionen und Abwehrmechanismen nach Virus-Infektionen.

Beschreiben Sie in maximal fünf Sätzen, wer Sie sind und was Sie antreibt.

Primär bin ich ein neugieriger Mensch, der versucht herauszufinden, wie die Natur um mich herum „funktioniert“. Wir verstehen viele komplexe Prozesse selbst in einer einzelnen Zelle noch so wenig. Von einem guten Verständnis unseres Immunsystems sind wir sogar noch weiter entfernt. Es gibt also noch eine Menge spannender Dinge zu entdecken. Die Möglichkeit, daran teilzuhaben, treibt mich an. Dafür brauchen wir gute Teamarbeit, technische Expertise, Logik, ein bisschen Mut und eine gute Portion Optimismus. Genau diese Komponenten machen aber auch das aus, was mir an der Arbeit in der Wissenschaft solche Freude bereitet.

Wie könnte man einem Kind Ihr wichtigstes Forschungsergebnis beschreiben?

Wir hatten kürzlich eine tolle Teamarbeit, bei der wir gemeinsam mit über 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt Antikörperfragmente entwickelt haben, die den Erreger von COVID-19 ausschalten können: Hierfür haben wir ein Alpaka und ein Lama mit Teilen des Virus geimpft. Das Abwehrsystem der Tiere produzierte dann Stoffe, die das Virus bekämpfen können. Diese konnten wir im Labor herstellen und neu kombinieren. Damit haben wir ein mögliches Medikament entwickelt, das sehr erfolgreich Viren unschädlich machen kann. Es funktioniert, indem es sich an die Viren heftet und dabei Strukturen des Virus kaputt macht, die für die Infektion neuer Zellen und damit die Ausbreitung im Körper notwendig sind. Wir glauben, dass es Kranken, die nicht geimpft werden können, nach einer Infektion durch Einatmen in die Lunge verabreicht werden könnte.

Was haben Sie während der Corona-Pandemie über sich gelernt?

Dass persönliche Interaktionen mir sehr wichtig sind, obwohl ein bisschen Entschleunigung zu Beginn der Pandemie und mehr Zeit zu zweit mit meiner Freundin auch ein willkommener Nebeneffekt waren. Auch habe ich gemerkt, dass ich noch großen Spaß daran habe, selbst im Labor zu stehen ­– wozu ich dann im Zuge unserer Corona-Forschung auch viel Gelegenheit hatte.

Was haben Sie sich von der Teilnahme am Klaus Tschira Boost Fund beziehungsweise der Leadership Academy versprochen? Und was ist eingetreten?

Einerseits interessante Leute mit spannenden Berufen zu treffen, und andererseits Erfahrungen für die „nicht-wissenschaftlichen“ Herausforderungen meines neuen Jobs zu sammeln. Das heißt, die Koordination einer Gruppe und wie man ein funktionierendes Team bildet. Hier muss man natürlich ständig weiterlernen und mitdenken – und macht sicherlich auch Fehler. Aber in den Grundzügen muss man sich rechtzeitig Gedanken machen, wofür die Leadership Academy eine super Grundlage war, die ich nur empfehlen kann. Diese Entwicklung hat sich durch die Veranstaltungen des Klaus Tschira Boost Fund noch vertieft, und bei allen Gelegenheiten hat man interessante und interessierte Menschen getroffen. Zudem hat uns der Klaus Tschira Boost Fund erlaubt, in der Forschung auch ein gewisses Risiko einzugehen und das Immunsystem in sogenannten „Organoiden“, also Organ-ähnlichen Systemen, in unserem Fall künstlichen „Mini-Därmen“, zu untersuchen.

Sie haben drei Wünsche frei an die Fee für Forschungsförderung. Wie lauten die?

  1. Pragmatische Förderung von unvorhergesehenen beziehungsweise ungeplanten Situationen, für die es kein eigenes Forschungsformat braucht: zum Beispiel die Verlängerung von bestehenden Projekten, die gut laufen aber noch nicht abgeschlossen sind – auch wenn die Förderung ausläuft. Ein anderes Beispiel wäre die kurzfristige Einstellung eines Studenten oder einer Studentin nach Abschluss der Masterarbeit, um ein Projekt in einer Übergangszeit noch abzuschließen. Dass Forschungsprojekte sich an einen engen Zeitplan halten, ist nicht immer realisierbar. Für neue Forschungsgelder muss in der Regel ein neues Projekt vorgeschlagen werden, für das man noch nie Geld bekommen hat. Auch wenn es manchmal eigentlich wichtiger ist, ein altes Projekt abzuschließen, das ein bisschen länger als geplant gedauert hat oder ein bisschen teurer geworden ist. In der Regel werden solche Projekte aber aus formellen Gründen für eine weitere Förderung ausgeschlossen. Wenn man andererseits ein Projekt schneller oder günstiger abschließt, ist es in der Regel nicht möglich das Geld für den oben beschriebenen Fall „zurückzulegen“.
  2. Ein-Jahres-Grants für Postdoktorate, in deren Rahmen die voraussetzenden Arbeiten für einen künftigen Grant geleistet werden und ein förderbares Projekt entwickelt werden kann.
  3. Als drittes würde ich der Forschungs-Förderungs-Fee auch mal ein Kompliment machen: Ich schätze es sehr hoch ein, dass zumindest in Deutschland Grundlagenforschung durchaus noch gut gefördert wird. Dies ist nicht selbstverständlich und ein hohes Gut. Dass die Förderung auch kompetitiv ist und man nicht alles bekommt, wofür man sich bewirbt, ist eine wichtige Komponente, gute Forschung zu fördern – auch wenn sich das nicht immer so positiv anfühlt.

Was erfüllt Ihr Herz jenseits der Arbeit?

So einiges. Es kann ein gutes Essen, gute Musik, eine angeregte Diskussion sein, oder auch mal auf ganz andere Gedanken zu kommen und mit meiner „Altherren-Mannschaft“, in meinem Fall eher schlecht als recht, Fußball zu spielen. Ich interessiere mich auch sehr für Geschichte und betreibe Familienforschung, also eigentlich meine eigene „Hobby-Geschichtsforschung“.

 

Zum Hintergrund:

Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter: www.klaus-tschira-stiftung.de

 

Die German Scholars Organization e.V. (GSO) ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Verein, der 2003 gegründet wurde. Zentrales Anliegen der GSO ist es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich für eine akademische oder auch außerakademische Karriere in Deutschland interessieren, durch individuelle Karriereberatung, Vernetzungsangebote und innovative Förderprogramme zu unterstützen. Neben dem Klaus Tschira Boost Fund bietet die GSO mit der Klaus Tschira Stiftung gGmbH und weiteren Partnern auch eine Leadership Academy für Postdocs im Ausland an. Weitere Informationen unter www.gsonet.org

 

 

 

Pressekontakt: 

Klaus Tschira Stiftung

Kirsten Baumbusch

Tel.: + 49 (0) 6221 533 177

E-Mail: kirsten.baumbusch@klaus-tschira-stiftung.de

 

German Scholars Organization e.V.

Dr. Anne Schreiter
Tel.: +49 (0) 30 2062 8767
E-Mail: schreiter@gsonet.org