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Maria-Elena Vorrath: Potenzial und Risiko negativer Emissionen

Unterstützt vom Klaus Tschira Boost Fund schafft Maria-Elena Vorrath Grundlagen zur Bewältigung der Klimakrise

Maria-Elena Vorrath studierte Geowissenschaften an der Universität Hamburg und promovierte anschließend am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Dort rekonstruierte sie als marine Geologin insbesondere die Dynamik von Meereis über tausende von Jahren anhand von Algenüberresten und erforschte Zusammenhänge mit dem Klima. Auf Expeditionen in die Antarktis, den Südatlantik und den Indischen Ozean sammelte sie Eindrücke über den Zustand der Erde und die Folgen der Klimakrise. Seit Sommer 2022 forscht sie an sogenannten negativen Kohlenstoffdioxid-Emissionen (CO2-Emissionen), um mit ihrem Fachwissen zur Milderung der Klimakrise beizutragen.

© Thorben Amann

Souverän, als wäre es das tausendste Mal, schildert uns Elena im Interview ihr Projekt mit dem Titel „ROCKCHAR“. Sie kombiniert hierbei Pflanzenkohle und Gestein miteinander und untersucht deren Potenzial, der Atmosphäre CO2 zu entziehen. Ihre Idee ist es, zwei Prozesse zu kombinieren: Erstens die Pyrolyse, bei der durch Erhitzung von Pflanzen- und Holzresten unter Ausschluss von Sauerstoff wertvolle Kohle entsteht. So wird das klimaschädliche Kohlendioxid, das bei der Zersetzung der Pflanzenreste freigesetzt würde, gebunden. Die Kohle kann mit Wasser und Nährstoffen angereichert und als Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden. Ein Verfahren das im Amazonasgebiet schon seit Jahrtausenden praktiziert wird.

Zweitens möchte sie die Gesteinsverwitterung nutzen: Mischen sich Wasser und CO2 greift die entstehende Kohlensäure das Gestein an und löst es auf. In der Folge wird der Kohlenstoff des CO2 im Wasser gebunden und geht später als Mineral zurück in den Gesteinskreislauf. Diesen Verwitterungsprozess möchte Elena nutzen, um das CO2-Entnahmepotenzial von Pflanzenkohle durch Beimischung von in der Industrie anfallenden Materialien wie Beton oder Stahlschlacke zu erhöhen. Der Klaus Tschira Boost Fund unterstützt sie bei der Finanzierung von Herstellungsprozessen, Analysen sowie Anstellung von Hilfskräften.

Ihre Forschungsarbeit birgt auch ein Risiko: Fossile Konzerne und Entscheidungsträger könnten die Technologie als Ausrede nutzen, um nichts an den bisherigen Verhältnissen ändern zu müssen. „Man könnte denken: Wenn wir das CO2 zurückholen können, müssen wir uns auch keine Gedanken um die Freisetzung machen. Das hat mit der Realität jedoch nichts zu tun!“, stellt Elena klar. Die technischen Möglichkeiten seien zu klein, um die große Lücke zu dem, was wir an CO2 ausstoßen, zu schließen. Etwa 90 % der Emissionen müssten schlichtweg reduziert werden.

Wie Elena (doch noch) zur Chemie fand

Als Schülerin hatte Elena die Note Fünf in Chemie und wählte das Fach nach der zehnten Klasse ab. Nach der Schule schlug sie deshalb zunächst eine völlig andere Richtung ein: Auf eine Ausbildung zur Toningenieurin folgte das Studium der Musikwissenschaften. „Mitte 20 fand ich mich dann in einer Sackgasse wieder, weil ich keine beruflichen Perspektiven für mich sah.“ Da erinnerte sie sich zurück, wie sehr sie sich als Kind für das Weltall, Vulkane oder die Erde begeistern konnte und entschied sich, Geowissenschaften in Hamburg zu studieren. Die Chemie wurde für sie zu einem Werkzeug, mit dem sie viele Umweltphänomene erklären kann. „Plötzlich hat alles, was man in der Natur beobachten kann, Sinn ergeben“, erzählt die Postdoktorandin.

Mit ihrer Begeisterung versucht Elena andere Menschen anzustecken. In diesem Jahr hat sie ganze 26 Vorträge gehalten, davon elf Science Slams, die auch auf YouTube verfügbar sind. Angefangen hatte alles mit der Frage der Eltern und des Freundeskreises, womit sie sich bei ihrer Arbeit beschäftige. Durch das Feedback zu ihren Science Slams hat sie selbst viel verstanden. „Man lernt sehr gut, seine Forschung zu vereinfachen und auf den Punkt zu bringen“, stellt Elena fest.

Elena kommuniziert nicht nur ihre Forschung, um der Klimakrise zu begegnen, sondern engagiert sich auch praktisch. „Bei foodsharing holen wir Nahrungsmittel von Supermärkten oder Tafeln ab, die nicht mehr verkauft oder verteilt werden können und wirken so im kleinen Maßstab der Lebensmittelverschwendung entgegen“, erklärt die Geowissenschaftlerin.

Was sie tun würde, wenn Geld und Zeit keine Rolle spielten? „Gemüse ziehen“, antwortet Elena. Sie habe zwar nicht per se einen grünen Daumen, aber „es wäre schön, die Kohle, die ich in meinem Projekt herstelle, mal in der eigenen Pflanzenzucht einzusetzen.“ Wenn Elena mit ihrem Projekt Erfolg hat, wird sie sich diesen Wunsch sicher erfüllen können.

 

Der Klaus Tschira Boost Fund ist ein gemeinsames Programm von German Scholar Organisation und Klaus Tschira Stiftung zur Förderung von Forschenden der Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik.

Gestärkt werden exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch:

  • flexible Fördergelder zur Schaffung von Freiräumen für eigene, riskantere sowie interdisziplinäre Projekte,
  • Unterstützung beim Aufbau von (internationalen) Kooperationen und Netzwerken,
  • gezielte Begleitung und Beratung zur professionellen und persönlichen Weiter­ent­wicklung.

Ziel ist es, Karrierewege von (jungen) Forschenden flexibler zu gestalten, zu beschleunigen und eine frühe Unabhängigkeit zu fördern.

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