Klaus Tschira Stiftung gibt der Karriere junger Forschender Schwung
Heidelberg. Marcel S. Pawlowski (Foto: Jamie Kanehisa) ist Astrophysiker. Bei ihm dreht sich alles um die Entstehung und Entwicklung von Galaxien sowie Ringelreihen „tanzender“ Zwerggalaxien. Er wird im fünften Teil unserer Porträtserie „Sechs Fragen an…“ vorgestellt. Hier präsentiert die Klaus Tschira Stiftung (KTS) junge Forschende, die sie in Kooperation mit der gemeinnützigen German Scholars Organization (GSO) fördert.
Jung und erfolgreich in der Forschung tätig zu sein, ist nicht immer leicht. Die hoch motivierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen möglichst viel publizieren, ein eigenes Profil entwickeln und Projektmittel einwerben. Und das bei oft unsicheren Perspektiven, mitten in einer Phase, in der eventuell auch die Gründung einer Familie ansteht und sich viele fragen, wo sie sich eigentlich die Führungsfähigkeiten aneignen sollen, die künftig von ihnen verlangt werden. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dieser Phase zu unterstützen und ihrer Karriere Schwung zu verleihen, ist Ziel des Klaus Tschira Boost Funds und der Leadership Academy. Das gelingt über Weiterbildung und Austausch in der Leadership Academy, aber auch über Fördergelder für eigene Projekte beim Klaus Tschira Boost Fund.
Bei beiden Initiativen kooperiert die Klaus Tschira Stiftung mit der gemeinnützigen German Scholars Organization (mehr unter https://gsonet.org). Absolventinnen und Absolventen werden in die Alumniplattform „Alumnode“ aufgenommen (https://alumnode.org). Gemeinsam ist allen Geförderten, dass es sich um ganz besondere junge Menschen handelt, von denen wir sieben an der Zahl in der Reihe „Sechs Fragen an…“ vorstellen möchten.
Heute: Marcel S. Pawlowski, Astrophysiker
Marcel S. Pawlowski ist Astrophysiker. Er ist ursprünglich aus Köln und hat an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn promoviert. Anschließend war er fünf Jahre in den USA, zunächst als Postdoc an der Case Western Reserve University in Cleveland, Ohio, und dann als NASA Hubble Fellow an der University of California, Irvine. Ende 2018 ging er als Schwarzschild Fellow ans Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP), wo er seit 2021 eine Nachwuchsforschungsgruppe leitet. Er war Fellow der ersten Leadership Academy 2016/17, und ist Fellow des Klaus Tschira Boost Funds 2020.
1.) Beschreiben Sie in maximal fünf Sätzen, wer Sie sind und was Sie antreibt.
Ich bin Astrophysiker und arbeite an der Schnittstelle zwischen Theorie und Beobachtung, mit Schwerpunkt auf der Entstehung und Entwicklung von nahe gelegenen Galaxien. In meiner Forschung versuche ich, Verbindungen herzustellen, neue Fragen aufzuwerfen, und vermeintlich etablierte Modelle mit kritischem Blick zu hinterfragen. Mich begeistert besonders die Zusammenarbeit mit fantastischen Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt, über Ländergrenzen hinweg. Gerade in – auch für mich selbst – schwierigen Zeiten motiviert es mich besonders, für die Leute mit denen ich arbeite optimale Bedingungen zu bereiten, Erfolge zu ermöglichen, und zu sehen, wie sie ihr Potenzial entfalten.
2.) Wie könnte man einem Kind Ihr wichtigstes Forschungsergebnis beschreiben?
Die Milchstraße, unsere Heimatgalaxie, ist umgeben von vielen kleineren Zwerggalaxien. Eigentlich sollten diese ganz durcheinander um die Milchstraße kreisen. Ich habe aber festgestellt, dass sich überraschend viele von ihnen ziemlich geordnet bewegen. Ganz so, als ob sie gemeinsam Ringelreihen um die Milchstraße tanzen. Ähnliches haben wir inzwischen um andere Galaxien beobachtet. Nun versuchen wir zu verstehen, was die Zwerggalaxien dazu bringt, sich so zu bewegen, und was uns dies vielleicht über unsere kosmische Nachbarschaft und die Zusammensetzung des Universums sagen kann.
3.) Was haben Sie während der Corona-Pandemie über sich gelernt?
Man kann in solch einer Ausnahmesituation nicht einfach weiter machen wie gehabt, ohne dabei seine mentale Gesundheit zu riskieren – gerade als junge Familie und bedingt durch die häufigen Umzüge als Akademiker fern von etablierten sozialen Unterstützungsnetzwerken. Dabei ist es nicht hilfreich, sich mit anderen zu vergleichen, insbesondere mit jenen, die solche Zusatzbelastungen nicht haben, und bei denen es oft an Verständnis dafür mangelt. Es ist wichtig, selbst die richtigen Prioritäten zu setzen, die nicht nur auf die Arbeit und vermeintliche Produktivität abzielen; sich einzugestehen, wenn etwas einfach nicht machbar ist, und zu lernen, „Nein“ zu zusätzlichen Aufgaben zu sagen. Ich habe gelernt, dass es mir am wichtigsten ist, dafür zu sorgen, dass es den Menschen in meinem privaten Leben, wie auch jenen, mit denen ich arbeite, gut geht und sie in ihren Vorhaben zu unterstützen.
4.) Was haben Sie sich von der Teilnahme am Klaus Tschira Boost Fund beziehungsweise der Leadership Academy versprochen? Und was ist eingetreten?
Von der Leadership Academy hatte ich mir versprochen, dass sie mittelfristig meine Chance auf eine Rückkehr nach Deutschland erhöht, sowie interessante Kontakte zu anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern außerhalb meines Forschungsfelds eröffnet. Beides ist glücklicherweise eingetreten, ich bin seit Ende 2018 am AIP, und habe über die Leadership Academy einige gute Freundschaften geknüpft.
Vom Klaus Tschira Boost Fund habe ich mir insbesondere versprochen, dass er meine Chance auf zukünftige Förderung erhöht, und mir ermöglicht, ein innovatives Workshop-Format zu organisieren, aus dem neue Kollaborationen wachsen können. Letzteres ist leider durch die Pandemie bis auf weiteres verhindert, ersteres aber tatsächlich bereits eingetreten, da ich eine Leibniz Nachwuchsforschungsgruppe einwerben konnte.
5.) Sie haben drei Wünsche frei an die Fee für Forschungsförderung. Wie lauten die?
1.) Dass es eine Abkehr von den strengen Hierarchien im deutschen Wissenschaftssystem gibt, so dass Gelder nicht auf wenige konzentriert werden, sondern, dass statt dessen mehr dauerhafte Stellen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geschaffen werden.
2.) Mehr hochflexible Fördermöglichkeiten wie den Klaus Tschira Boost Fund, die die Finanzierung innovativer Ansätze und Formate möglich machen, eine längere Laufzeit haben, damit auch auf unvorhergesehene Entwicklungen reagiert werden kann und die sich gezielt an Forschende richten, die noch keine Dauerstelle innehaben.
3.) Oh, und für mich persönlich natürlich noch ein 30-Meter Teleskop auf der Rückseite des Mondes.
6.) Was erfüllt Ihr Herz jenseits der Arbeit?
Meine Familie, Street- und Dokumentarfotografie, Ausstellungen, Museen, und guter Kaffee.
Zum Hintergrund:
Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter: www.klaus-tschira-stiftung.de
Die German Scholars Organization e.V. (GSO) ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Verein, der 2003 gegründet wurde. Zentrales Anliegen der GSO ist es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich für eine akademische oder auch außerakademische Karriere in Deutschland interessieren, durch individuelle Karriereberatung, Vernetzungsangebote und innovative Förderprogramme zu unterstützen. Neben dem Klaus Tschira Boost Fund bietet die GSO mit der Klaus Tschira Stiftung gGmbH und weiteren Partnern auch eine Leadership Academy für Postdocs im Ausland an. Weitere Informationen unter www.gsonet.org
Pressekontakt:
Klaus Tschira Stiftung
Kirsten Baumbusch
Tel.: + 49 (0) 6221 533 177
E-Mail: kirsten.baumbusch@klaus-tschira-stiftung.de
German Scholars Organization e.V.
Dr. Anne Schreiter
Tel.: +49 (0) 30 2062 8767
E-Mail: schreiter@gsonet.org