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„Wissenschaftsjournalismus muss konkret zeigen, wie positive Klima-Szenarien aussehen!“ – Im Gespräch mit der Wissenschaftsjournalistin Lena Wrba

Tiefgang-Talente für den Wissenschaftsjournalismus

Heidelberg/München, 8. September 2022. Nachwuchstalente mit naturwissenschaftlicher, mathematischer oder technischer Expertise werden an der Deutschen Journalistenschule (DJS) besonders unterstützt: Die Klaus Tschira Stiftung fördert seit 2018 Teilnehmende der Lehrredaktion während ihrer Ausbildungszeit an der DJS im Rahmen ihrer „Tiefgang”-Talentförderung. In dieser kleinen Serie berichten Tiefgang-Talente über ihren Weg in den Wissenschaftsjournalismus.

Lena Wrba begann ihre Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule (DJS) 2019 nach einem Geografie-Studium und hat seit ihrem DJS-Abschluss nicht nur für Print- und Onlinemedien geschrieben, sondern auch als Videojournalistin Themen aus Wirtschaft und Ökologie sowie Leben und Gesundheit aufgegriffen. Die Wissenschaftsjournalistin arbeitet aktuell im Projektteam Klima-Hub der taz. Im Gespräch verrät sie, was genau dort passiert. (Foto: Felix Schuster)

Frau Wrba, wollten Sie schon immer Journalistin werden?

Nach dem Abitur wollte ich zum Klimawandel arbeiten und schreiben – der Journalismus verbindet das gut. Deswegen fragte ich Umweltjournalist:innen, was sie studiert haben. Häufig antworteten sie „Geografie“. Das Fach hatte mich schon in der Schule interessiert, deshalb fühlte sich der Weg über dieses Fach für mich direkt richtig an. Leider war das Studium sehr theoretisch und hatte nicht viele Praktika vorgesehen, sodass ich meinen Weg in den Journalismus ein bisschen aus den Augen verlor und schon fast Stadtplanerin werden wollte. Erst gegen Ende des Bachelorstudiums absolvierte ich journalistische Praktika und bewarb mich später an der DJS.

Fiel Ihnen der Wechsel vom wissenschaftlichen zum journalistischen Schreiben leicht?

Am Anfang fiel es mir auf jeden Fall schwer. Da wollte ich zu viel erklären, zu sehr ins Detail gehen, jede einzelne Perspektive beleuchten. Da musste ich lernen, die Balance zu finden und Artikel nicht zu überfrachten.

Glauben Sie, dass Sie als Naturwissenschaftlerin diesen Anspruch, alles erklären zu müssen, mehr als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler der DJS mit politikwissenschaftlichem oder soziologischem Hintergrund verfolgten?

Zumindest das Abwägen, also nicht einseitig zu urteilen in einem Text, das glaube ich, hängt schon mit einem naturwissenschaftlichen Hintergrund zusammen. Nicht den einen „richtigen“ Weg zu beschreiben, sondern eher, welche Konsequenzen verschiedene Wege haben und welche Unsicherheiten es bei allen Varianten gibt.

Was ist Ihre intensivste Erinnerung an die DJS?

Puh, die DJS war insgesamt wahnsinnig anstrengend. Es war wirklich ein extremer Workload und jeden Tag gab es neue Herausforderungen. Da konnte man nicht immer perfekt vorbereitet sein und musste sich auf Neues spontan einlassen können. Das fand ich sehr fordernd. Besonders schön fand ich, dass ich von meinen Mitschülerinnen und Mitschülern so viel lernen konnte, beispielsweise immer nach einem Weg zu suchen, etwas auf neue oder ungewohnte Weise zu erzählen.

Was war Ihr erster großer Erfolg als Journalistin?

Ich bin jetzt beim Klima-Hub bei der taz und bin total froh, dass ich es sofort zum Berufseinstieg realisieren konnte, zu meinem angestrebten Schwerpunktthema – der Klimakrise – zu arbeiten.

Was macht den Klima-Hub der taz aus?

Dort schauen wir immer: Wo hakt es in der Klima-Berichterstattung in Deutschland und wie können wir das verbessern? Wird beispielsweise ausreichend aus dem globalen Süden berichtet? Außerdem schauen wir auf die Klima-Bewegungen in ihrer Vielfalt und begleiten sie kritisch ohne zu große Nähe. Unser Kernprojekt ist die Instagram-Seite klima.taz. Darüber hinaus versuchen wir in die Klimaberichterstattung der taz möglichst diverse Perspektiven einzubringen und tauschen uns über das Netzwerk CCNow auch mit internationalen Journalist:innen aus.

Wie schafft man es im Klima-Journalismus ohne Verbote und Verzicht zu berichten?

Es kommt immer aufs Thema an und natürlich auf die Zielgruppe. Ob sich Menschen beispielsweise von Verboten angesprochen fühlen oder sich dabei schnell in ihrer Freiheit beschränkt sehen.

Ich glaube, es ist grundsätzlich wichtig, ein sehr konkretes Bild davon zu zeichnen, was unsere gute Option ist, wenn wir jetzt die richtigen Maßnahmen ergreifen und nicht aufzuzählen, was die Folgen sind, wenn wir nicht aktiv werden. Das heißt: eine konkrete Utopie zeichnen, die ja keine bleiben muss. Was bedeutet denn Klimagerechtigkeit konkret für meine Nachbarschaft?

Wo können Sie mehr bewirken: bei überregionalen Medien oder im Lokaljournalismus?

Schwierige Frage. Im Grunde ist es sehr sinnvoll, lokal Menschen mit Fragen des Klimawandels zu konfrontieren. Aber die Strukturen im Lokaljournalismus sind nicht immer attraktiv und ziehen deshalb nicht unbedingt engagierte Klima-Journalist:innen an. Persönlich habe ich das Gefühl, dass uns die Zeit davonläuft. Ich arbeite deshalb am liebsten dort, wo dem Thema schon ein hoher Stellenwert eingeräumt wird und ich nicht erst noch über die Relevanz der Klima-Berichterstattung streiten muss.

In dem DJS-Format ImGespräch tauschten sich Betroffene der Anschläge in Halle und Hanau mit Medienschaffenden aus, die darüber berichteten. Wie haben Sie es damals geschafft, Vertrauen zu Ihren Interview-Gästen aufzubauen?

Im Rahmen der DJS-Ausbildung hatten wir eine sehr harte Deadline für dieses Projekt. Um Vertrauen zu gewinnen, ist es gleichzeitig das Wichtigste, den Menschen Zeit zu geben und sich wirklich für ihre Geschichte zu interessieren. Dieser Konflikt war schon herausfordernd. Ansonsten ist es wichtig, nicht so sehr selbst die Regeln zu machen für das Interview, sondern auf das Gegenüber einzugehen und beispielsweise Pausen anzubieten. Die Gäste hatten auch ein großes Bedürfnis, die Ereignisse aus ihrer Perspektive zu erzählen.

Diese Gespräche sind übergeordnete Gespräche über die Verantwortung des Journalismus. Wie haben Sie das erlebt?

Viele Interviewpartner:innen wünschten sich, dass wir doch noch in Polizeiakten schauen und Details recherchieren. Da sprachen wir dann über unsere Funktion als Journalist:innen in diesem konkreten Format und dass wir, zumindest in diesem Projektrahmen, solche Arbeit nicht leisten können. Wir nahmen zwei stereotype Bilder von Journalist:innen wahr: Einerseits die, die aktuell berichten und sofort am Tatort sind und sich nicht immer sensibel und angemessen verhalten, andererseits die langfristigen Investigativ-Journalist:innen. Das ist ja nicht falsch, allerdings gibt es noch sehr viel mehr.

Was ist Ihre Vision für den Wissenschaftsjournalismus?

Wissenschaftsjournalist:innen müssen die Zeit und die Möglichkeiten haben, zukünftige Klima-Szenarien ausführlich zu recherchieren und ihre Ergebnisse in möglichst konkrete sprachliche Bilder zu überführen. Dafür bräuchten sie vielleicht mehr Austausch mit Forschenden zu ganz allgemeinen Fragen und ohne Zeitdruck. Solche offenen Angebote könnten Medienschaffende beim Einstieg in den Wissenschaftsjournalismus unterstützen. Das Netzwerk Klima-Journalismus bietet beispielsweise alle paar Wochen Treffen an, bei denen Expert:innen Input geben. Wichtig ist auch: Klima muss in allen Ressorts und nicht nur im Wissenschaftsressort Platz finden.

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