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Neugierde für Naturwissenschaften wecken – von Anfang an

Vor zehn Jahren hat die Klaus Tschira Stiftung die Forscherstation auf eigene Füße gestellt Interview mit Beate Spiegel und Petra Gürsching

Heidelberg, 5. Juli 2022. Die Forscherstation, Klaus-Tschira-Kompetenzzentrum für frühe naturwissenschaftliche Bildung, wird zehn Jahre alt. Ihr Ziel ist es, pädagogische Fachkräfte aus Krippe, Kita und Grundschule für Naturwissenschaften zu begeistern, damit sie gemeinsam mit Kindern die Welt entdecken können. Dafür setzt die Forscherstation auf Fortbildungen, Experimentierideen, praxisbezogene Forschung sowie die Qualifizierung wissenschaftlichen Nachwuchses.

Beate Spiegel, Geschäftsführerin der Klaus Tschira Stiftung (bis 11/2022), und Petra Gürsching, Geschäftsführerin der Forscherstation, erklären, was die Einrichtung so besonders macht.

Zehn Jahre wird die Forscherstation alt. Wie ging das eigentlich los?

Beate Spiegel: Gefühlt gab es das Projekt von Beginn an bei der Stiftung. Uns ging es dabei stets darum, pädagogischen Fach- und Lehrkräften aus Kita und Grundschule die Scheu vor Naturwissenschaften zu nehmen. Es reihte sich dann über Jahre eine Projektförderung an die andere und vor zehn Jahren wurde die Forscherstation eine Ausgründung als gemeinnützige Gesellschaft mit begrenzter Haftung. Das entspricht unserem Ansatz: Projekte fangen klein an und können sich dann zu etwas Großem entwickeln. So wurde die Forscherstation zu einem Urgewächs der Stiftung, an dem sich exemplarisch zeigen lässt, was wir in Sachen früher Bildung erreichen möchten.

Wie ist das konkrete Konzept entstanden?

Beate Spiegel (links) und Petra Gürsching (rechts) freuen sich darüber, wie sich die Forscherstation in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat. Foto: Forscherstation

Beate Spiegel: Auch da hatten wir viel freie Hand in der Entwicklung. Klaus Tschira wollte die Stiftung ganz eng mit dem Projekt verbunden wissen, um die Entwicklungsschritte begleiten zu können. Sein Traum war, mit der Stiftung lebenslanges Lernen zu begleiten: vom Kindergarten, über Explore Science, bis hin zum KlarText-Preis und zur Förderung von Spitzenforschung.

Was macht die Besonderheit aus?

Petra Gürsching: Kinder und Lehrkräfte können bei uns und durch uns erleben, dass Naturwissenschaft überall in unserem Alltag vorkommt, allein, wenn man ans Kochen oder Händewaschen denkt. Schon dabei geht es um Physik und Chemie.

Weckt das Interesse und die Neugier! Das war und ist unser Auftrag. Ich kam als Geschäftsführerin dazu, als die Projektphase zu Ende ging und die Ausgründung begann. Die Idee hat mich fasziniert und es war eine tolle Herausforderung, daraus ein Unternehmen mit entsprechenden Zielen und Strukturen zu entwickeln.

Was sind heute noch Alleinstellungsmerkmale?

Petra Gürsching: Dass das Kind im Mittelpunkt steht, obwohl die Zielgruppe pädagogische Fachkräfte sind. Wir gehen bei der Entwicklung von Angeboten stets von den Kindern und deren Bedürfnissen aus – entsprechend ihrer Altersgruppe. Und wir orientieren uns mit unseren Angeboten sehr stark am Berufsalltag und den Rahmenbedingungen der Fachkräfte.

Wir arbeiten mit Alltagsmaterialien, die auch in der Lebenswelt der Kinder vorkommen. Beispielsweise kann ich auf dem Spielplatz in einer Pfütze mit einem Stein und einem Blatt den Unterschied zwischen Schwimmen und Sinken entdecken.

Für mich ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal auch die alleinige Förderung durch die Stiftung. Wir können damit relativ unabhängig agieren, orientieren uns aber immer an den neuesten bildungswissenschaftlichen Standards.

Wie hat sich die Bildungslandschaft in diesem Bereich im vergangenen Jahrzehnt entwickelt?

Petra Gürsching: Die Pisa-Studie hat schon einen Schock ausgelöst vor einigen Jahren, bei dem offenbar wurde, dass Deutschland bei der Bildung hinterherhinkt. Da wurde auf einmal frühkindliche Bildung, wenn auch stark auf Sprache bezogen, großgeschrieben. Dann kam die MINT-Initiative, also eine Initiative, um die Bildung in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zu fördern. Mit beidem beschäftigen wir uns schon lange. Dann folgte das Thema Digitalisierung, das bei uns auch schon auf der Tagesordnung war. Unsere Besonderheit ist, dass wir zum Beispiel naturwissenschaftliches Lernen mit Sprachbildung verknüpfen. Dieser Blick über den Tellerrand macht uns aus. Wir knüpfen auch da an die Lebenswelt der Kinder an und denken vernetzt.

Was für Menschen sind im Team der Forscherstation?

Petra Gürsching: Derzeit sind wir 28 Mitarbeitende sowie einige studentische Hilfskräfte. Unser Team ist interdisziplinär aufgestellt. Wir haben Menschen aus den Natur- und Bildungswissenschaften dabei, aber auch Kita-Fachkräfte und Lehrkräfte aus der Schule. Das ist wirklich spannend, wie sich das unterschiedliche Know-how verknüpft und uns als Forscherstation voranbringt.

Beate Spiegel: Das Team ist langsam gewachsen, auch da war uns eine kontinuierliche Entwicklung, angepasst am Bedarf, wichtig.

Es gab und gibt wissenschaftliche Begleitung. Wie sieht das aus?

Petra Gürsching: Die Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule (PH) Heidelberg bestand von Anfang an. Dass unsere Angebote den neuesten wissenschaftlichen Standards entsprechen, ist uns immer noch sehr wichtig. Wir evaluieren all unsere Angebote. Da geht es natürlich um die Zufriedenheit der Teilnehmenden, aber auch um die Umsetzbarkeit des Gelernten. Wir sichern damit auch unser wichtiges Ziel: Die Professionalisierung der Fachkräfte. Wir fragen beispielsweise die Motivation und das Interesse an früher naturwissenschaftlicher Bildung am Anfang und am Schluss unserer Weiterbildungen ab und bringen in Erfahrung, ob das Handlungswissen gewachsen ist. Dabei zeigt sich, dass sich richtig was tut.

Wie ist das Feedback? Was bringt die Forscherstation den Teilnehmenden?

Petra Gürsching: Wir bekommen viel positive Resonanz für die Veranstaltungen und die Organisation. Viele beschreiben sich als mutiger und sicherer im Hinblick auf Naturwissenschaften oder sagen, sie würden sich jetzt eher trauen, passende Experimente in ihre Praxis in Kita oder Schule einzubauen oder Sprachbildung und naturwissenschaftliche Bildung zu verknüpfen.

Wie hat die Forscherstation die Zeit der Corona-Pandemie bewältigt? Von außen hatte man den Eindruck, die Forscherstation hat sich einmal kurz geschüttelt und dann weitergemacht.

In der Pandemie hat sich die Forscherstation noch breiter aufgestellt als bisher. Dennoch bleibt die persönliche Begegnung wichtig. Foto: Forscherstation

Petra Gürsching: Natürlich wurden auch wir ins kalte Wasser geschmissen. Alle Angebote waren bis dahin ja in Präsenz. Aber wir haben tatsächlich nur kurz innegehalten und dann auf digital umgestellt. Das war eine enorme Herausforderung, vor allem weil unsere Angebote ja alle interaktiv sind und viel mit Materialien zu tun haben.

Kurz vor Corona hatten wir einen Teamworkshop, bei dem wir uns mit strategischen Themen auseinandersetzten. Jedes Jahr wollten wir uns demnach ein Thema mit Bezug auf die Bildungslandschaft besonders auf die Fahne schreiben und neue Angebote dazu entwickeln. Das erste Thema war Digitalisierung. Und zack waren wir mittendrin. Dabei geht es nicht nur um digitale Formate, sondern auch darum, sich damit auseinanderzusetzen, wie frühe naturwissenschaftliche Bildung mit Hilfe von digitalen Werkzeugen und Methoden stattfinden kann.

Was wird bleiben?

Petra Gürsching: Die digitalen Tools auf jeden Fall und der Umgang mit digitalen Medien auch. Aber wir werden keinesfalls nur noch digitale Formate anbieten. Es ist eine gute Ergänzung, aber wir werden versuchen, das Beste aus beiden Welten zu bekommen.

Wir haben vorher gehört, die Forscherstation war ein Pflänzchen, das wachsen und sich entwickeln durfte. Wohin wird das in den nächsten zehn Jahren gehen?

Beate Spiegel: Ich würde mir wünschen, dass die Forscherstation genauso stetig wächst und sich entwickelt wie bisher. Ohne Druck, im eigenen Tempo; man weiß, wenn es schnell gehen muss, kann man reagieren, aber ohne Aktionismus. Wir sind jetzt schon bekannter geworden und der Bekanntheitsgrad, auch in der Fläche, wird sicher zunehmen.

 

Kontakt:

Klaus Tschira Stiftung

Kirsten Baumbusch

Kommunikation

Telefon: 06221-533-177

E-Mail: kirsten.baumbusch@klaus-tschira-stiftung.de

 

Forscherstation

Dr. Katrin Schneider-Özbek

Leitung Kommunikation

Telefon: 06221-43103-31

E-Mail: schneider-oezbek@forscherstation.info

 

Hintergrund:

Die Klaus Tschira Stiftung

Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter: www.klaus-tschira-stiftung.de

 

Die Forscherstation, Klaus-Tschira-Kompetenzzentrum

für frühe naturwissenschaftliche Bildung gGmbH

Die Forscherstation, Klaus-Tschira-Kompetenzzentrum für frühe naturwissenschaftliche Bildung gGmbH mit Sitz in Heidelberg, wird von der Klaus Tschira Stiftung getragen. Ihr Ziel ist es, pädagogische Fachkräfte aus Krippe, Kita und Grundschule für Naturwissenschaften zu begeistern und zu befähigen, damit sie gemeinsam mit Kindern die Welt entdecken. Dafür setzt die Forscherstation auf berufsbegleitende Fortbildungen, die Bereitstellung geeigneter Experimentierideen, praxisbezogene Forschung sowie die Qualifizierung wissenschaftlichen Nachwuchses. Dabei arbeitet die Forscherstation eng mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg zusammen. Weitere Informationen unter: www.forscherstation.info