Aufklärung über Albinismus: Heidelberger Humangenetikerin hat mit Förderung der Klaus Tschira Stiftung Informationsmaterial für zahlreiche Länder Afrikas entwickelt
Heidelberg. „Ich liebe Afrika“, sagt Gudrun Rappold (Foto: Klaus Tschira Stiftung) und es glitzert in ihren Augen. Schon oft war die Heidelberger Professorin der Humangenetik auf dem Kontinent unterwegs, hat dort mit anderen eine Ausbildungsinitiative für AIDS-Waisen gestartet und viel über Länder und Leute gelernt. Gleichwohl ist es ein erschütterndes Thema vor allem aus den südlichen und östlichen Ländern Afrikas, das sie jetzt zur wohl ungewöhnlichsten Publikation ihres Lebens als Forscherin gebracht hat. Die Klaus Tschira Stiftung unterstützt sie dabei, eine illustrierte Broschüre mit interaktiver Webseite zum Thema „Albinismus – nur ein Gen!“ zu publizieren. Damit möchte Gudrun Rappold Kinder und Jugendliche erreichen – und mit Wissenschaft gegen Aberglauben angehen.
Gelten doch Menschen mit Albinismus in 27 Ländern des östlichen und südlichen Afrikas nahezu als „vogelfrei“. Sie müssen nicht nur Ausgrenzung und Bedrohung, sondern sogar Verstümmelung und Ermordung fürchten. „Dabei sind sie Menschen wie Du und ich“, heißt es in der Broschüre, „es ist nur eine kleine Genveränderung, die zu Albinismus führt.“
Diese Genveränderung führt dazu, dass kein Melanin produziert wird. Das heißt, dass Menschen mit Albinismus helle Augen, Haut und Haare haben. Außerdem sehen sie oft schlecht, haben sonnenempfindliche Augen und können überdurchschnittlich häufig Hautkrebs entwickeln. Und sie fallen wegen ihrer hellen Hautfarbe natürlich vor allem in Ländern besonders auf, in denen die Bevölkerung überwiegend eine dunkle Hautfarbe besitzt. Allerdings gibt es sie dort auch etwa zehn Mal häufiger als in Europa, wo Albinismus zu den seltenen Erkrankungen gehört. Betroffen ist etwa jedes tausendste Kind im südlichen und östlichen Afrika. Hintergrund sind verbreitete Beziehungen unter Verwandten, die in ihrem Erbgut das Albinismus-Gen tragen. Dieses Gen wird rezessiv vererbt. Das heißt, beide Eltern sind zwar Anlageträger des defekten Gens, aber gesund, da das zweite normale Gen dominant wirkt. Nur wenn beide Eltern das defekte Gen an ein Kind weitergeben, erkrankt es.
Wissenschaft hilft gegen Aberglauben
„Eine verständliche Wissenschaft, die die Prinzipien der Genetik und der Erkrankung in eine verständliche Sprache übersetzt, die von Schulkindern verstanden wird“, das ist Ziel der Broschüre von Gudrun Rappold. Viola Kup, eine Kommunikationsdesignerin, die derzeit in Kenias Hauptstadt Nairobi lebt und bei den Vereinten Nationen arbeitet, hat dazu anschauliche Illustrationen geschaffen.
Das Geleitwort stammt von Eva Maria Köhler, der Ehefrau des früheren Bundespräsidenten, selbst sehr engagiert in afrikanischen Ländern und Schirmherrin der Seltenen Erkrankungen in Deutschland. „Ich wünsche der Initiative viel Erfolg und hoffe sehr, dass damit ein wichtiger Beitrag geleistet wird, Wissen zu vermitteln, aufzuklären, und letztlich Verbrechen zu verhindern“, schreibt sie.
Gudrun Rappold berichtet, was für ein schwieriges Unterfangen es für sie war, von der Wissenschaftssprache, die sie ihr ganzes Berufsleben begleitet hat, zur einfachen Darstellung für Kinder und Jugendliche zu gelangen. Doch wenn sich eines jetzt schon sagen lässt, dann dies: Es ist geglückt. Mit Sätzen wie „Egal, wie man aussieht, alle Menschen haben das gleiche Recht, mit Respekt und Toleranz behandelt zu werden“ oder „Alle Menschen sind gleich und doch verschieden“, erzeugt sie mehr als Verständnis für diese Krankheit. Sie erklärt auch, warum jeder von uns ein bisschen so aussieht wie die Mutter und ein bisschen wie der Vater, was das Ganze mit dem Mönch Gregor Mendel und seinen Erbsenexperimenten zu tun hat und wieso man von „dominanten“ und „rezessiven“ Merkmalen spricht. Die Humangenetikerin beschreibt genau und doch allgemeinverständlich, was Albinismus ist. Und am Schluss heißt es: „Du kannst es nun erklären, denn Du weißt es nun besser. Wer mehr weiß, kann mehr bewegen.“
Die Verbreitung der Broschüre startet im Oktober 2022 über Selbsthilfegruppen, Bildungsministerien und vor allem über die Schulen in zahlreichen Ländern Afrikas. Derzeit wird die Webseite programmiert und die Broschüre in zahlreiche afrikanische Sprachen übersetzt. Gudrun Rappolds Devise ist klar: „Wenn wir nur ein Kind retten können, hat sich alles gelohnt.“
Kontakt:
Klaus Tschira Stiftung
Kirsten Baumbusch
Kommunikation
Telefon: 06221-533-177
E-Mail: kirsten.baumbusch@klaus-tschira-stiftung.de
Hintergrund:
Die Klaus Tschira Stiftung
Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter: www.klaus-tschira-stiftung.de