Make Your School ist nicht nur ein innovatives, sondern auch ein sehr erfolgreiches Projekt, das von der Klaus Tschira Stiftung gefördert wird. Seit der Gründung im Jahr 2017 wurden rund 350 Hackdays in Schulen angeboten mit über 10.000 Teilnehmenden, darunter 30 Prozent Mädchen. Fürs nächste Jahr sind 100 weitere Hackdays mit im Schnitt 35 Teilnehmenden vorgesehen. Das sind gute Nachrichten. Trüben könnte die Freude die kürzlich bekannt gewordenen Ergebnisse der TIMSS-Studie 2023 (Trends in International Mathematics and Science Study). Hier werden schulische Leistungen von Schülerinnen und Schülern in über 60 Ländern ermittelt und verglichen. Ergebnis: die Ergebnisse in Naturwissenschaften für Deutschland sind zwar gleichgeblieben, aber die Streuung der Leistungen hat in den letzten Jahren zugenommen.
Inwiefern steuern Angebote in Making und Hacking diesem Trend entgegen? Das haben wir die Projektleiterinnen von Make Your School, Anne Weißschädel und Laura Krauß, gefragt.
Anne Weißschädel: Bei den MINT-Themen docken unsere Making-Angebote an ganz vielen Stellen an: in verschiedensten Unterrichtsbereichen und Fächern können Jugendliche damit aktiviert werden. Es geht ganz praktisch darum, sich zu überlegen, wie man sehr konkrete Probleme oder Aufgaben lösen kann. Entscheidend ist immer, dass die Jugendlichen selbst anfangen zu überlegen, was sie eigentlich machen wollen. Dann organisieren sie sich nach einer gewissen Zeit gemeinsam und jeder und jede bringt die eigenen Kompetenzen mit ein. Das klappt sogar in sehr diversen Klassenverbänden. Beim Making finden alle einen Platz, lautet dabei das Motto. Diese Haltung wird in Zukunft in unserer Gesellschaft immer wichtiger werden. Making ist ein toller Ansatz, um unterschiedliche Menschen zur Zusammenarbeit zu bringen.
Laura Krauß: Beim Making geht es zwar im weitesten Sinn um Fachunterricht im MINT-Bereich, aber mit Realitätsbezug! Wenn sich beispielsweise eine Gruppe vornimmt, bei den Hackdays von Make Your School einen Tampon-Automaten zu bauen, dann geht es dabei auch um realitätsbezogene Physik. Die Ausgabe des Objekts unterscheidet sich nämlich bei Tampons von der von Schokoladen oder Getränkeflaschen.
Nicht zu unterschätzen ist möglicherweise auch der Aspekt der Selbstwirksamkeit? Das kennen wir ja alle, wie schön das ist, etwas von Anfang bis Ende selbst zu bauen.
Anne Weißschädel: Genau! Unser schönstes Ergebnis ist immer, wenn jemand am Ende sagt: Ich hätte nie gedacht, dass ich das kann, und ich habe es selbst geschafft! Was uns derzeit aber Sorgen bereitet sind aktuelle Studien wie die International Computer and Information Literacy Studie oder das MINT Nachwuchsbarometer, die sich mit der digitalen Kompetenz von jungen Menschen beschäftigen. Danach ist die Spitzengruppe zwar sehr kompetent in Sachen Technologien unterwegs, aber die Gruppe derer, die sich schwertut und nur rudimentäre Kenntnisse hat, wird immer größer. Das stellt ein großes Problem in der Schule dar, aber auch danach. Hoffnung macht uns jedoch, dass auch an dieser Stelle Making als Ansatz unglaublich gut funktioniert. Sogar diejenigen, die noch gar nichts wissen, können mitmachen. Sie packen mit an und lernen den Rest nach und nach von den anderen. Uns geht es vor allem darum, junge Menschen zu befähigen, sich selbst zu befähigen. Wir möchten, dass die Jugendlichen verstehen, wie digitale Technik funktioniert, damit sie einen souveränen Umgang damit erreichen. Die Jugendlichen wünschen sich das sehr und genau da holen wir sie ab.
Motivationsprobleme, über die ja viele Lehrkräfte klagen, kennt Make Your School also nicht?
Laura Krauß: So gut wie nicht. Es gibt natürlich immer wieder Jugendliche, die im Klassenverband teilnehmen und vorab sagen, da hätte ich mich jetzt nie freiwillig angemeldet. Das sind aber auch oft diejenigen, die sich am Ende am besten darauf einlassen. Einige würden am Anfang am liebsten die Veranstaltung kapern, kommen am Ende dann aber mit einer total verrückten Idee und setzen sie sogar um. Da sind unsere Mentorinnen und Mentoren auch wirklich klasse. Einmal hatten wir eine Jungengruppe, denen ging es um eine technische Lösung für mehr Treffsicherheit im Pissoir. Die haben sich dann drei Tage mit Spritzpistolen ans Experimentieren und Programmieren gemacht und dabei viel über die Flugeigenschaften von Flüssigkeiten gelernt (lacht).
Anne Weißschädel: Uns melden auch Lehrkräfte zurück, dass vor allem sonst nicht so Motivierte regelrecht aufblühen bei den Hackdays. Da fällt dann schon mal der Satz: Ich hätte nicht gedacht, dass die das können. Da gelingt es uns also sogar, gängige Muster zu durchbrechen.
Make Your School hat gerade eine Umfeldanalyse gemacht. Mit welchem Ergebnis?
Anne Weißschädel: Also erst einmal, dass der Bedarf an Informatik und Technikbildung sehr viel höher ist als es das Schulsystem abdecken kann. Das wird wohl auch erst einmal so bleiben. Fest machen wir das auch am Ergebnis des Informatikmonitors. Es gibt zwar einige Bundesländer, in denen es schon mit ein bis sechs Schulstunden pro Woche Informatikbildung gibt, in anderen aber gar nicht. Insgesamt fehlen über 22.000 Lehrkräfte deutschlandweit.
Laura Krauß: Die Zeitressource ist der Faktor, an dem sich Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Deshalb verstehen wir uns als Full-Service-Projekt, das den Lehrkräften so viel Arbeit wie möglich abnimmt. Bei uns müssen es auch keine Informatiklehrkräfte sein, die Hackdays organisieren. Sie unterrichten häufig Religion, Biologie oder Sport und es ist ihnen einfach ein Anliegen, ihre Schule voranzubringen. Besonders pfiffige Lehrkräfte legen die Hackdays so, dass gleich im Anschluss der Tag der offenen Tür ist, so dass die Schülerinnen und Schüler gleich die Ergebnisse präsentieren können. Was gibt es Besseres, um eine Schule gut aussehen zu lassen?
Wie schwer fällt es eigentlich, vom großen Bedarf nur so wenig abdecken zu können?
Anne Weißschädel: Wir wissen, dass wir an der Zahl der Schulen in Deutschland gemessen, ein kleines Projekt sind, auch wenn unser Traum wäre, Hackdays an jede Schule zu bringen.
Make Your School ist über regionale Hubs, also Drehscheiben organisiert. Wie funktioniert das?
Anne Weißschädel: Wir haben knapp 20 Partnerorganisationen von Hamburg bis ins tiefste Oberbayern, von Nord bis Süd, das sind Hochschulen, Vereine, Schülerforschungszentren, querbeet, alles gemeinnützige Akteure, die gerne Informatikbildung mit Making machen möchten. Manche haben wir angesprochen, andere sind auf uns zugekommen. Dort gibt es zum Teil schon langjährige Ansprechpersonen, die große Lust haben und über gute Kontakte zu Lehrkräften und zu Jugendlichen verfügen. Das ist ein sehr organisches Netzwerk, das sich zum Teil sogar ohne unser Zutun weiterentwickelt.
Laura Krauß: Make Your School ist keine Einbahnstraße. Über das Netzwerk kommen auch wieder Themen zu uns, beispielsweise die Anleitungstexte in einfacher Sprache. Wir lernen alle ständig voneinander.
Was verändert sich mit den Hackdays in Schulen?
Anne Weißschädel: Wir haben Schulen, die sind ungemein aktiv geworden, bei anderen bleibt es bei den Hackdays. Unsere bisherige Evaluation belegt aber, dass die Jugendlichen auf alle Fälle ein größeres Verständnis dafür entwickelt haben, wie Technik funktioniert und sich selbst mehr Problemlösefähigkeit zutrauen. Wirkungsmessung ist uns von Beginn an ein wichtiges Anliegen, da werden wir in den nächsten Monaten noch mehr Einblick haben, wie Hackdays sich auf das technische Selbstkonzept der Teilnehmenden auswirken.
Laura Krauß: Es hat sich vieles verändert: 2017 mussten wir erst einmal erklären, dass Hackdays nicht bedeutet, dass Jugendliche jetzt das Schulnetzwerk knacken. Das ist heute nirgendwo mehr nötig. Makerecken und Makerspaces sind an immer mehr Schulen vorhanden. Manche von diesen Orten werden sogar zu einer Art Jugendclub an den Schulen, die auch in den Pausen und am Nachmittag stark frequentiert sind.
Anne Weißschädel: Eine unserer großen Stärke sind die Lehrkräfte und deren Kontakte untereinander. Das sind tolle Beispiele, was an Schulen möglich ist – trotz allem! Wir sind auf dem Weg!
Das Interview führte Kirsten Baumbusch (kirsten.baumbusch@klaus-tschira-stiftung.de)
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