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Heidelberg.
23. Januar 2025

„Zwischen Pandemie und Populismus“

Kai Kupferschmidt brillierte mit Vortrag zu Desinformation und ihren Folgen im Zuge seiner Nature Marsilius Gastprofessur an der Universität Heidelberg.

Mit den Ursachen von gezielter Fehl- und Desinformation zu gesellschaftlich kritischen Themen befasst sich der Wissenschaftsjournalist Kai Kupferschmidt. Im Wintersemester 2024/2025 übernahm der Berliner Autor und Moderator an der Ruperto Carola die Nature Marsilius Gastprofessur für Wissenschaftskommunikation. Zum Abschluss des Semesters hielt er nun einen Vortrag mit dem Titel „Zwischen Pandemie und Populismus“. Die Nature Marsilius Gastprofessur für Wissenschaftskommunikation ist eine Initiative von Holtzbrinck Berlin, der Klaus Tschira Stiftung und der Universität Heidelberg.

Universitätsrektorin Prof. Dr. Frauke Melchior betonte in ihrer Begrüßung, dass das Thema Desinformation kaum aktueller gewählt sein könnte. Heute gebe es mehr Zugang zu Informationen als je zuvor in der Geschichte der Menschheit und zugleich würden etablierte Fakten in Frage gestellt wie noch nie. Die Ruperto Carola schätze die Nature Marsilius Gastprofessur besonders, weil hier einer breiten wissenschaftlichen Öffentlichkeit vermittelt werde, was eine qualitativ hochwertige Berichterstattung über wissenschaftliche Arbeit und wissenschaftliche Erkenntnis ausmache. Zugleich werde eine breite Diskussion über neue Formen des Austauschs zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit angestoßen.

Anja Heinzelmann, Leiterin Kommunikation der Klaus Tschira Stiftung, betonte, dass Kupferschmidt genau dort hinschaue und darüber berichte, wo andere schon längst den Kopf in den Sand gesteckt hätten. Er sei ein Brückenbauer zwischen Wissenschaft und Gesellschaft und verstehe es, hochkomplexe Themen gut verständlich und mit großer Präzision zu vermitteln. Kai Kupferschmidt, so Heinzelmann über seinen Werdegang, studierte Molekulare Biomedizin an der Universität Bonn und besuchte danach die Berliner Journalisten-Schule. Als Korrespondent für das Fachmagazin „Science“ berichtet er seit vielen Jahren vor allem über Infektionskrankheiten und globale Gesundheit. Außerdem schreibt er für diverse andere deutsche und internationale Medien. Für seine Arbeit wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

„Warum ist Unsinn so erfolgreich?“

Seinen Vortrag begann Kupferschmidt mit der Aussage, dass er vieles, was er über die Menschen gelernt habe, den Viren verdanke. So sei beispielsweise der Verlauf einer Epidemie oder Pandemie ganz stark von Faktoren wie Vertrauen oder Misstrauen der Menschen in die Regierung, von Bestattungspraktiken oder erlebten Kriegen abhängig. „Ob es zu einem Ausbruch kommt, entscheidet sich an der Schnittstelle von Erreger und Gesellschaft“, führte er aus. Dennoch konnten ihn, der sich als Biomediziner schon lange mit Viren und Pandemien beschäftigt, die Ereignisse rund um Covid-19 überraschen. Das Ausmaß an Lüge, Verschwörungstheorien, Falschinformation sowie der Streit in Gesellschaft und Wissenschaft waren selbst für den Experten frappierend.

Seither geht er der Frage nach „Warum ist Unsinn so erfolgreich?“ und räumt gleichzeitig ein, dass der Realitätsverlust so vieler Menschen tatsächlich schwer zu erklären ist. In seiner Vorlesung beleuchtete der Wissenschaftsjournalist politische, psychologische, philosophische, profitorientierte sowie mit Panik verbundene Ansätze. Dazu gehört das Phänomen, dass man Darstellungen, die der eigenen Auffassung entsprechen, grundsätzlich eher Glauben schenkt oder dass Menschen in Sachen Informationsaufnahme noch irgendwo in der Steinzeit verortet sind und deshalb Sensationellem und Grusligem eher Aufmerksamkeit schenken. Kupferschmid erklärte einleuchtend, wie Gerüchte und Verschwörungserzählungen entstehen und wie die von Algorithmen getriebenen Sozialen Medien als zum Teil schon geschlossenen Informationsökosysteme diese befeuern.

Er erkannte eine „Krise der Faktizität“, die nur schwer aufgelöst werden könne. Dennoch entließ er sein Auditorium nicht ohne konstruktive Vorschläge. So ist es seiner Ansicht nach wichtig, in der Debatte um wissenschaftliche Erkenntnisse mehr herauszuarbeiten, wo es Konsens gibt und wo noch Dissens besteht. „Konsens in der Wissenschaft ist ungeheuer überzeugend in der Öffentlichkeit“, betonte Kupferschmidt. Ebenso wichtig sei es, in Politik und Publikationen klar und nachvollziehbar zwischen wissenschaftlichen Ergebnissen und politischen Empfehlungen zu trennen sowie Erkenntnisprozesse transparenter zu machen und diese allgemein verständlich zu erklären. Nur so, sowie durch Zuhören und mehr Teilhabe könne es gelingen, verloren gegangenes Vertrauen in Wissenschaft, Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus wieder zu erlangen.

Autorin: Kirsten Baumbusch kirsten.baumbusch@klaus-tschira-stiftung.de