Klaus Tschira Stiftung gibt der Karriere junger Forschender Schwung
Heidelberg. Felix Günther (Foto: HLFF) ist Mathematiker und begeistert für sein Fach unter anderem mit Zaubertricks. Er wird im letzten Teil unserer Porträtserie „Sechs Fragen an…“ vorgestellt. Hier präsentiert die Klaus Tschira Stiftung (KTS) junge Forschende, die sie in Kooperation mit der gemeinnützigen German Scholars Organization (GSO) fördert.
Jung und erfolgreich in der Forschung tätig zu sein, ist nicht immer leicht. Die hoch motivierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen möglichst viel publizieren, ein eigenes Profil entwickeln und Projektmittel einwerben. Und das bei oft unsicheren Perspektiven, mitten in einer Phase, in der eventuell auch die Gründung einer Familie ansteht und sich viele fragen, wo sie sich eigentlich die Führungsfähigkeiten aneignen sollen, die künftig von ihnen verlangt werden. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dieser Phase zu unterstützen und ihrer Karriere Schwung zu verleihen, ist Ziel des Klaus Tschira Boost Funds und der Leadership Academy. Das gelingt über Weiterbildung und Austausch in der Leadership Academy, aber auch über Fördergelder für eigene Projekte beim Klaus Tschira Boost Fund.
Bei beiden Initiativen kooperiert die Klaus Tschira Stiftung mit der gemeinnützigen German Scholars Organization (mehr unter https://gsonet.org). Absolventinnen und Absolventen werden in die Alumniplattform „Alumnode“ aufgenommen (https://alumnode.org). Gemeinsam ist allen Geförderten, dass es sich um ganz besondere junge Menschen handelt, von denen sieben an der Zahl in der Reihe „Sechs Fragen an…“ vorgestellt werden.
Heute: Felix Günther, zaubernder Mathematiker
Schon als Kind faszinierte Felix Günther, wie Mathematikerinnen und Mathematiker auf nur wenigen Annahmen – den sogenannten Axiomen – basierend eine beeindruckende und umfassende Theorie entwickeln konnten. Mit seiner Forschung zur diskreten Differentialgeometrie trägt er nun selbst zur Erweiterung dieses Theoriengebäudes bei. Gleichzeitig ist es ihm ein großes Anliegen, durch seine Aktivitäten in der Lehre und in der Wissenschaftskommunikation die Begeisterung und Faszination für Mathematik weiterzugeben. Insbesondere Kindern zeigt er dabei, wie viel Spaß Mathematik machen kann und dass sie voller Überraschungen steckt. Für ihn gibt es kaum etwas Schöneres, als mit mathematischen Zaubertricks Kinderaugen zum Leuchten zu bringen. Derzeit ist er als Postdoc am Institut für Mathematik der Technischen Universität Berlin tätig.
Beschreiben Sie, was Sie antreibt und wie man Ihr wichtigstes Forschungsergebnis erklären könnte?
Mir ist es immer etwas suspekt, Forschungsresultate nach ihrer Wichtigkeit zu sortieren. Daher beschreibe ich hier eines meiner Ergebnisse, welches mir besonders gut gefällt. Ein wichtiger Satz der klassischen Differentialgeometrie ist das Theorema egregium von Carl Friedrich Gauß. Es besagt, dass die Gaußsche Krümmung eine Eigenschaft der Fläche selbst ist und nicht davon abhängt, wie wir sie von außen wahrnehmen. So können wir zum Beispiel feststellen, dass die Erde rund ist, ohne ins Weltall fliegen zu müssen. Allerdings heißt das auch, dass wir keine perfekten Landkarten haben können. Die Gestalt der Erde ist eine gekrümmte Kugeloberfläche, eine ebene Landkarte ist dagegen nicht gekrümmt.
Auch für Polyeder wie den Würfel oder den Ikosaederstumpf (besser bekannt als Fußball), also Objekte mit Ecken und Kanten, lässt sich eine Gaußsche Krümmung an den Ecken definieren. Aus der klassischen Differentialgeometrie ergeben sich dabei zwei naheliegende Berechnungsvarianten. Dass diese beiden Varianten immer zum selben Ergebnis führen, auch wenn die Polyeder nicht so schön rund wie ein Fußball sind und Einbuchtungen haben, war einige Zeit eine beliebte Übungsaufgabe. Ich selbst habe sie als Student gestellt bekommen und gelöst. Erst viele Jahre später fiel mir auf, dass mein Beweis nur für runde, oder präziser gesagt konvexe Polyeder richtig war. Aufbauend auf den Arbeiten von Thomas Banchoff, dessen Vorlesung zur Geometrie von Polyedern ich als Promotionsstudent besuchte, fand ich zwei Jahre nach meiner Promotion schließlich einen Beweis, der wirklich für alle Polyeder gilt.
Was haben Sie während der Corona-Pandemie über sich gelernt?
Ich lernte, dass digitale Veranstaltungen für mich Fluch und Segen zugleich sind. Viele Zusammenkünfte wie Vorträge und Besprechungen, die im Alltag durch ihre soziale Komponente noch einen gewissen Reiz hatten, führen im Digitalen eher zu einem unerwünschten Mehr an strapaziöser Bildschirmzeit. Auf der anderen Seite traute ich mich in der digitalen Lehre, Konzepte auszuprobieren, welche ich mir in Präsenz so vielleicht nicht zugetraut hätte. Während die klassische Mathematikvorlesung den Stoff an der Tafel vermittelt, habe ich den Studierenden in meinem Kurs jede Woche Lesestoff und ein digitales Forum mit Aufgaben zur Diskussion zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise konnte ich viel besser und auch zeitnaher auf inhaltliche Fragen eingehen und zudem die Veranstaltung interaktiver gestalten, als es in einem klassischen Vorlesungsformat möglich gewesen wäre.
Was haben Sie sich von der Teilnahme an der Leadership Academy versprochen? Und was ist eingetreten?
Von der Leadership Academy habe ich mir in erster Linie inspirierende Begegnungen mit interessanten Menschen versprochen, aber natürlich erhoffte ich mir auch, wichtige Methoden zum Thema Führung zu erlernen. Beide Wünsche wurden mehr als erfüllt. Ich freue mich immer wieder, wenn ich Alumni aus der Leadership Academy wiedersehe, zum Beispiel auf einer der vielen Veranstaltungen von AlumNode. Zudem konnte ich einige der erlernten Methoden in Führungsrollen schon anwenden.
Sie haben drei Wünsche frei an die Fee für Forschungsförderung. Wie lauten die?
Für gute Forschung benötigt man Freiräume und genügend Zeit. Mein erster Wunsch an die Fee für Forschungsförderung wäre daher, die Grundausstattung der Universitäten deutlich zu verbessern. Mit diesen Mitteln soll mehr Forschenden, die sich in Forschung und Lehre profiliert haben, früh die Perspektive gegeben werden, in der Wissenschaft bleiben zu können. Auch angemessene Arbeitsbedingungen für Doktorandinnen und Doktoranden beziehungsweise Postdoktorandinnen und Postdoktoranden, unabhängig von ihrem Forschungsfach, sollten dadurch finanziert werden. Dies würde den Druck im Wissenschaftssystem lindern und die nötigen Freiräume für riskantere Forschung schaffen.
Mein zweiter Wunsch ist es, Forschungsmittel für längere Zeiträume zu bewilligen und sowohl die Hürden bei der Antragsstellung als auch der regelmäßigen Berichterstattung abzusenken. Durch weniger Bürokratie würden wir viel Zeit gewinnen, die wir für gute Forschung und Lehre nutzen können.
Mein dritter Wunsch wäre ein Kontingent an Forschungsförderung, welches im Rahmen einer Lotterie vergeben wird. Auf einem gewissen Niveau spielt auch schon heute der Zufall eine große Rolle, welche Projekte tatsächlich gefördert werden, zum Beispiel bereits bei der Auswahl der Gutachterinnen und Gutachter. Warum gestalten wir den Zufall zum Teil nicht transparent? Dies hätte den Vorteil, dass Forschende oder Forschungsthemen, die bewusst oder unbewusst diskriminiert werden, in diesem Rahmen die gleichen Chancen hätten wie alle anderen.
Was erfüllt Ihr Herz jenseits der Arbeit?
Einzig die Liebe meiner Freundin Işılay vermag mein Herz wahrhaftig zu erfüllen. Wie mir meine Leidenschaft für die Mathematik ein Kompass für meine Arbeit ist, so ist es die Liebe im Privaten. Zumal sich Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen viel leichter ertragen lassen, wenn man nicht allein ist!
Zum Hintergrund:
Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter: www.klaus-tschira-stiftung.de
Die German Scholars Organization e.V. (GSO) ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Verein, der 2003 gegründet wurde. Zentrales Anliegen der GSO ist es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich für eine akademische oder auch außerakademische Karriere in Deutschland interessieren, durch individuelle Karriereberatung, Vernetzungsangebote und innovative Förderprogramme zu unterstützen. Neben dem Klaus Tschira Boost Fund bietet die GSO mit der Klaus Tschira Stiftung gGmbH und weiteren Partnern auch eine Leadership Academy für Postdocs im Ausland an. Weitere Informationen unter www.gsonet.org
Pressekontakt:
Klaus Tschira Stiftung
Kirsten Baumbusch
Tel.: + 49 (0) 6221 533 177
E-Mail: kirsten.baumbusch@klaus-tschira-stiftung.de
German Scholars Organization e.V.
Dr. Anne Schreiter
Tel.: +49 (0) 30 2062 8767
E-Mail: schreiter@gsonet.org